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Friedrich Merz in Kiew: Der Coup

Friedrich Merz in Kiew: Der Coup


Ein Mitglied aus Merz’ Delegation erscheint mit ballistischer Schutzweste, die das Bundeskriminalamt zur Verfügung gestellt hat. “Immerhin haben wir Ausrüstung bekommen. Mitkommen wollten sie nicht”, scherzt er.Wenig später geht es los. Die Reisegruppe Merz brettert mit Sirene und Vollgas durch die Straßen und die Checkpoints der Hauptstadt. Lastwagen und Autos müssen weichen, das ukrainische Sicherheitsprotokoll ist strikt.Der Konvoi fährt vorbei an der zerstörten Brücke des Kiewer Vororts Irpin, die provisorisch wieder aufgebaut wurde nach der Befreiung von russischen Truppen. Die Bilder des eingefallenen Brückendachs gingen um die Welt, als Zivilisten verzweifelt versuchten, während der russischen Angriffe über den Fluss zu fliehen.Irpin ist Merz’ erste und einzige Station außerhalb der ukrainischen Hauptstadt. “Kiew ist weiterhin keine sichere Stadt”, hatte Bürgermeister Vitali Klitschko vor wenigen Tagen gewarnt. Zuvor war ein russischer Marschflugkörper in ein Wohnhaus geflogen und hatte eine Journalistin getötet. Anlass war vermutlich der Kiew-Besuch des UN-Generalsekretärs António Guterres. Eine toxische Grußbotschaft aus Moskau. Auch während des Merz-Aufenthalts könnten Raketen einschlagen. “Es ist kein Geheimnis, dass Kiew ein Ziel der Angreifer war und ist”, so Klitschko vergangene Woche.Merz’ erster Stopp in Irpin ist das zerbombte Kulturzentrum der Stadt. Der Bürgermeister erklärt dem deutschen Oppositionschef, wie brutal die russische Armee in dem Ort vorgegangen ist. “50 Prozent der Stadt sind zerstört. 300 Bewohner wurden getötet”, erklärt Oleksandr Markushyn dem ernst blickenden Merz. Ohne den beherzten Kampf der ukrainischen Armee wären es noch mehr geworden, so Markushyn.

Kühlschränke gefüllt mit toten Soldaten

“Sie kämpfen einen heldenhaften Kampf. Das ist großartig”, sagt Merz und nickt anerkennend. Es ist ein bedeutender Moment: Der Bürgermeister dieser vom russischen Vernichtungswillen gezeichneten Stadt erzählt dem Chef der größten deutschen Oppositionspartei, was Putins Truppen angerichtet haben. Markushyn redet schnell, detailreich. Man spürt, ihm ist das Gespräch wichtig.Friedrich Merz schaut in das zerstörte Kulturzentrum von Irpin. (Quelle: Daniel Mützel/T-Online-bilder)Der CDU-Chef hört bedächtig zu, fragt nach, wenn er mehr wissen will, etwa wie viele Flüchtlinge nach Irpin zurückgekommen sind (Antwort: “Circa 20.000”) oder was mit den toten “sowjetischen” Truppen (er sagt das mehrmals, meint aber russische) geschieht. Antwort: “Unsere Kühlschränke sind voll.”Richtig ins Staunen kommt Merz, als er von der massiven Unterlegenheit der ukrainischen Kräfte gegenüber den russischen Angreifern erfährt. “Eins zu acht?” wiederholt er mit ungläubiger Miene und blickt anerkennend zum Bürgermeister.

Darshan Shah
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